Prof. Dr. Markus Schmidt (Bethel) geht in seinem Vortrag der Sakralität des evangelischen Kirchenraums nach, soweit es die Kirchenbauten des Architekten Otto Bartning in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts betraf. Der Vortrag wurde am 25. November im Rahmen der Tagung "Kult des Volkes" gehalten.

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Der Architekt Otto Bartning (1883–1959), vielleicht der bedeutendste evangelische Kirchenbauer des 20. Jh., wagte sich in der Zwischenkriegszeit an eine theologische Definition des evangelischen Sakralbaus. Bartning verstand – im Protestantismus keineswegs unumstritten – den Kirchenraum als sakralen Raum, wobei Sakralität gemäß dem Prinzip form follows function auch und gerade mit architektonischen Mitteln einzuholen sei.

Die Sakralität des „Kultes“, d.h. des Gottesdienstes als auch des Kirchengebäudes, liegt bei Bartning in der feiernden Gemeinschaft begründet – unabhängig von der situativen Zahl der jeweils Anwesenden, sondern aufgrund deren Zugehörigkeit zum Allgemeinen Priestertum aller Gläubigen, einem Äquivalenzbegriff für „Volk Gottes“. Diese von der Gemeinde herrührende Sakralität könne und müsse im Kirchengebäude dauerhaft sichtbar werden, was die wichtigste Aufgabe für die Kirchenbaukunst bedeute.

Berühmt geworden durch die zahlreichen „Bartning-Notkirchen“ nach dem Zweiten Weltkrieg wird meist übersehen, dass bereits in der Zwischenkriegszeit das Werk Bartnings die entscheidenden theoretischen und praktischen Grundlegungen erhalten hatte. In der Zeit des Nationalsozialismus verstand Bartning sein Bauen als „Widerstand“ und konnte im Vergleich zu anderen Kirchenbauern erstaunlich resistent gegen völkische bzw. überhaupt ideologische Vereinnahmungen bleiben.