Spuren des alten Papstpalastes am Lateran
Da vom alten, mittelalterlichen Papstpalast nach den Demolierungen unter Sixtus V. (16. Jh.) so gut wie nichts übrig geblieben ist und auch keine zeitgenössische Dokumentation besteht, ist es immerhin beachtlich, dass jüngste Grabungen direkt vor der Hauptfassade der Basilika schon nach wenigen Spatenstichen mutmaßliche Reste der Palastanlage freigaben.
Darüber berichtete das Kultusministerium.
Allerdings kann es sich nur um Nebengebäude handeln, da vor der Kirche zunächst einmal das Atrium zu erwarten ist (es dürfte unter dem heutigen Sagrato liegen). Noch bis ins 19. Jahrhundert waren auf diesem Gelände nichts anderes als Weinberge. Der eigentliche Papstpalast, der als die größte derartige Anlage des Mittelalters galt, erstreckte sich von der Basilika aus nicht nach Osten, sondern nach Norden zur Heiligen Stiege hin.
Die Palastanlage geht zweifellos im Kern ins 4. Jahrhundert zurück, denn es ist nicht denkbar, dass Konstantin die riesige Erlöserkirche - die Lateranbasilika - als einzige Stadt- und Bischofskirche bauen ließ, ohne auch eine entsprechende Bischofsresidenz dort zu bauen (vgl. S. Heid, Altar und Kirche [Regensburg 2023] ausführlich zur Lateranbasilika).
Die jetzt gefundenen Mauern sollen aus dem 9. Jahrhundert stammen. Wenn diese Datierung stimmt, werden sie geradezu automatisch mit den Sarazeneneinfällen des 9. Jahrhunderts in Verbindung gebracht und als Verteidigungsanlage interpretiert. Allerdings hätte gegen die Sarazenen die Aurelianische Mauer genügt, die ja direkt neben dem Lateran verläuft. Daher wird auch vorgeschlagen, eine stadtinterne Verteidigungsanlage gegen rivalisierende römische Familien anzunehmen.
Möglich ist alles. Jedenfalls lag der Lateran verteidigungstechnisch extrem ungünstig. Als Fluchtort bauten sich die Päpste, die immer um ihr Leben fürchteten, die Basilika Quattro Coronati zu einer regelrechten Burg aus. Quattro Coronati liegt auf einem Bergkamm, der direkt zum Lateran führt. Quattro Coronati hat also für den Lateran dieselbe Funktion wie später die Engelsburg für den Vatikanpalast.
Als die Päpste schon 1305 Rom verließen und 1309 endgültig ihre Koffer für Avignon packten, um erst 1378 wieder zurückzukehren, war dies das Todesurteil für den Lateranpalast, der nun rapide verfiel und danach baulich nicht mehr zu retten war.
Wie es mit den Grabungen weitergehen wird, ist nicht bekannt. Da wohl alles zum Hl. Jahr fertig werden soll, ist eine Konsevierung wohl nicht möglich.
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- Geschrieben von: Stefan Heid
- Kategorie: Römische Notizen