Baumgarten notiert am 22. Juli 1903: „Heute früh wurde Leo XIII. im Thronsaale aufgebahrt. Ich ging mit Monsignor de Waal hinüber, um in der ruhigen Stille der chapelle ardente vom Papste Abschied zu nehmen. Wenn der Pontifex zu seinen Lebzeiten schon ein etwas strenges Gesicht hatte, wenn er nicht sprach, so hat der Tod diese Strenge, ja eine gewisse Rauheit und Eckigkeit der Züge in solchem Maße gesteigert, daß man fast erschrecken konnte.

Bei der waagerechten Lage auf dem Paradebette kommt nun hinzu, daß, wenn man am Fußende der Leiche steht oder kniet, man in die großen Nasenlöcher hineinschaut. Dieser Anblick ist nicht für jedermann. Und doch war es mir ein Bedürfnis, von diesem Pontifex, den ich so gut und auch so intim gekannt hatte, oben in seinem Arbeitsgebiete Abschied zu nehmen“.

„Was ich über die Herrichtung der Leiche des Papstes und besonders über die Eigenheiten des Gesichtes sage, wäre im Mittelalter wohl kaum zu bemerken gewesen. Damals hatten die päpstlichen Siegelbeamten, Laienbrüder aus dem Cistercienserorden, die amtliche Pflicht der Aufbahrung der verstorbenen Päpste. Und da wird uns verschiedentlich ganz ausdrücklich berichtet, daß die Nasenlöcher mit Watte fest verstopft und daß geeignete Maßnahmen getroffen wurden, um das wenig schöne Zusammenfallen des Gesichtes zu verhindern.

Es wäre für die zahllosen Menschen, die dem verstorbenen Papste Leo ihre Ehrfurcht und Liebe bezeigt haben, zweifellos sehr angenehm gewesen, wenn man die mittelalterliche Übung der Herrichtung des Leichnams beibehalten hätte. Aber wer von den Menschen, die für die Aufbahrung Leos XIII. verantwortlich gewesen waren, hat davon etwas gewußt? Das wissen nur die Stubengelehrten, die ihre Kenntnisse darüber aus den vergilbten Rechnungen der Apostolischen Kammer geschöpft haben; und aus ihren Kreisen ist es nicht bis zu den Ärzten und Hofbeamten hingedrungen, die die Aufbahrung Leos angeordnet oder vorgenommen haben.
Es gäbe eine ungemein interessante geschichtliche Plauderei, wenn ich von all den Gebräuchen erzählen wollte, die ich in meinem großen Buche ,Aus Kanzlei und Kammer‘, das ich vor mehr als dreißig Jahren bei Herder in Freiburg erschienen ließ, zum ersten Male aus den Urkunden über den Tod der Päpste im 14. und 15. Jahrhundert veröffentlicht habe“. (AAV Carte Baumgarten).