Eine Buchvorstellung

Dominik Pascal Witkowski, The Sacramental Signification in the Rite of the Holy Mass. The Synthesis of St. Thomas Aquinas in Comparison with Pope Innocent III and St. Albert the Great, Dissertationen. Theologische Reihe, Bd. 122, EOS Verlag Sankt Ottilien, 2025. ISBN 978-3-8306-8297-4.

Die Offenbarung Gottes vollzieht sich nach klassischer Lehre nicht allein in sprachlicher Mitteilung, sondern ebenso durch Handlungen, Geschehnisse und sichtbare Zeichen. Dieser duale Modus göttlicher Kommunikation, bei Thomas von Aquin als sacra doctrina wissenschaftlich entfaltet, bildet die theologische Grundlage sowohl für das Verständnis der Heiligen Schrift als auch für die Interpretation der liturgischen Riten. Gott kommuniziert sich selbst in Worten und in Handlungen, verbis et factis. Daher vollzieht sich die Offenbarung, wie auch die Liturgie, nicht nur in sprachlichen Aussagen, sondern ebenso durch geschichtliche Ereignisse, kultische Vollzüge und sakramentale Zeichenhandlungen.

Thomas führt diesen Zusammenhang im ersten Artikel der Summa theologiæ (I, q. 1, a. 10) aus, wo er darlegt, dass die Heilige Schrift einen „dreifachen geistlichen Sinn“ enthalte, der jedoch immer im sensus litteralis gründet. Diese exegetische Grundstruktur ist nicht nur auf die Schrift bezogen, sondern gilt für die gesamte Theologie als Wissenschaft: der duale Modus einer significatio verbis et factis in der Heiligen Schrift besitzt eine innere Analogie zur sakramentalen und liturgischen Rede und Zeichensprache.

Die Geschichte Israels enthält Handlungen, Orte und Gegenstände, die über ihren historischen Gehalt hinaus eine göttlich intendierte Bedeutung tragen: der Durchzug durch das Rote Meer als Hinweis auf die Taufe; das Manna in der Wüste als Vorbild der Eucharistie; das Paschalamm als Vorausbild des Kreuzesopfers und unsere Erlösung durch Christi Blut. Ebenso sind in der Apokalypse des Johannes kultische Elemente wie verbrennender Weihrauch als Zeichen für das Gebet der Heiligen oder liturgische Gewänder aus Leinen als Zeichen für die anstrengenden Werke der Rechtfertigung nicht lediglich visionäre Bildmotive, sondern Elemente eines sakralen Kulturguts, das auch im Gottesdienst der Kirche bleibend gegenwärtig ist.

Diese biblische Zeichensprache bildet den Hintergrund der liturgischen Mystagogie. Die Liturgie der Kirche erschließt sich als Wirkungsraum, in der die Heilswirklichkeit Christi nicht nur konkret gefeiert, sondern auch durch sakramentale und liturgische Zeichen und Zeichensprache weiterhin bezeichnet, ausgedeutet und vielfach übernatürlich wirksam wird.

Die patristische Tradition, besonders die mystagogischen Katechesen des Ostens (etwa bei Theodor von Mopsuestia † 428, Germanos von Konstantinopel † nach 730), deutet die Riten der heiligen Messe nicht exklusiv nach ihrem Wortlaut, ihrem Literalsinn, sondern auch nach der weiteren Bedeutung ihrer Handlungen auf spirituell-typologische Weise: als Teilnahme an den Mysterien Christi, als Antizipation der himmlischen Liturgie, oder als Heiligung und Vereinigung mit Gott durch die sakramentale Gnade.
Diese Tradition wird im Westen im Zuge der karolingischen Renaissance durch Amalarius von Metz († um 850) aufgegriffen. Eine bedeutende und einflussreiche Adaption der allegorisch-rememorativen Liturgiemystagogie artikuliert Papst Innozenz III († 1216) in De sacro altaris mysterio.

Der römisch-kuriale Ritus wird nach einem zweifachen Sinn ausgelegt: „Die Worte beziehen sich in erster Linie auf die Konsekration der Eucharistie, die Zeichen hingegen vor allem auf das liturgische Gedächtnis der heilsgeschichtlichen Ereignisse. Durch die Worte wird Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi gewandelt; durch die Zeichen wird vergegenwärtigt, was in der Woche vor dem Pascha mit Christus geschehen ist” (V, 2 Unde et memores): Die liturgische Zeichensprache wird extensiv auf die Geschehnisse der Karwoche und die Phasen des Leidens Christi ausgedeutet, wobei einzelne Riten (wie die mehrfachen Kreuzzeichen im Kanon, die Brechung der Hostie in drei Teile) vielfältige christologische und ekklesiologische Bedeutungsinhalte und sakramentale Wirkweisen entfalten.

Thomas von Aquin († 1274) steht bewusst in dieser Tradition, überführt sie jedoch in eine systematischere theologische Ordnung. In Summa theologiæ III, q. 83, aa. 4–5 legt er den Ritus der heiligen Messe aus, indem er die Prinzipien der sacra doctrina und ihren dualen Modus einer zweifachen Bedeutung, der significatio verbis et factis, auf den rituellen Vollzug anwendet. So schreibt Thomas: In den Sakramenten wird etwas in zweifacher Weise bezeichnet, nämlich durch Worte und durch Handlungen, verbis et factis, damit die Bezeichnung vollkommener geschehen kann.

In der Feier der Eucharistie wird durch die Worte teils auf Dinge hingewiesen, die zur Passion Christi gehören, welche in diesem Sakrament vergegenwärtigt wird; teils auf den mystischen Leib Christi, also die Kirche, welche durch dieses Sakrament bezeichnet ist; und teils auf Elemente, die den rechten in Andacht und Ehrfurcht vollzogenen Empfang des Sakraments betreffen. Daher werden in der Feier dieses Geheimnisses bestimmte Handlungen vollzogen, um die Passion Christi darzustellen oder die innere Verfassung des mystischen Leibes auszudeuten; andere Handlungen wiederum dienen der Pflege jener Andacht und Ehrfurcht, in der dieses Sakrament zu gebrauchen ist (ST III, q. 83, a. 5).

Die liturgischen Handlungen besitzen nach Thomas nicht nur einen praktischen, sondern auch einen „signifikativen“ Charakter: Sie bedeuten das Leiden Christi, sie bezeichnen die Heiligung der Kirche, sie weisen auf die eschatologische Einheit der Kirche hin und eröffnen dem Gläubigen geistliche Bedeutungszusammenhänge, die in der Heiligen Schrift begründet sind. Die Messe ist für Thomas nicht bloß konkret sakramentaler Vollzug, sondern zugleich eine lebendige Darstellung und Wirkung der christologischen, pneumatologischen und eschatologischen Heilsordnung im Medium des Ritus. Bei Thomas werden biblische, patristische und hochmittelalterliche Mystagogie in die Systematik der Theologie integriert und dadurch auch wissenschaftlich begründet, verantwortet und erklärbar gemacht.

In bemerkenswerter Spannung hierzu steht die liturgische Exegese des heiligen Albertus Magnus († 1280). Sein De mysterio missæ weist jene geistlich-typologische Auslegung teilweise zurück, da Albert befürchtet, der sensus spiritualis könne die einfache und eigene Bedeutung der Rite überlagern. Er sieht die Gefahr, dass liturgische Exegese in subjektive Assoziationen abgleitet. Albert betont daher den historischen, rationalen und theologischen Gehalt der liturgischen Handlungen, legt den Fokus stärker auf den biblischen Bezug der Messtexte und entwickelt eine gelehrte Auslegung, die enger auf die wörtliche Deutung der rituellen Zeichen und Handlungen abzielt.

So steht für den Kölner Doctor universalis in der Auslegung der Kreuzzeichen im Kanon die literale Deutung des Ritus im Vordergrund: Etwa im Unde et memores macht der Priester drei Kreuzzeichen, um zu bezeichnen, dass die Fülle des Segens vom ersten Urheber der Heiligkeit ausgeht und durch das Kreuz auf den mystischen Leib übergeht, der hier im wahren Leib als in seinem Zeichen dargebracht wird (De mysterio missæ, III, 13). Eine rememorative Auslegung dieser Riten in Bezug auf das Leiden Christi findet sich bei Albert nicht. Sein Ansatz ist stärker philologisch und direkt theologisch akzentuiert, vermeidet wo möglich rememorative Auslegungen des Ritus und zielt auf eine Disziplinierung der mittelalterlichen Exegese.

Gerade an dieser Stelle wird die Besonderheit der thomanischen Position sichtbar. Der Doctor angelicus schließt weder die spirituelle noch die litterale Perspektive aus, sondern integriert sie in eine Synthese, die den vollen Reichtum liturgischer Signifikation balanciert und wahrt, ohne beliebige oder unkontrollierte Deutungen zuzulassen. Damit verhindert Thomas sowohl eine Verengung der liturgischen Interpretation auf rein historisch-wörtliche Bedeutungen als auch eine Entgleitung in subjektive Zuschreibungen.

Sein Verständnis des sensus litteralis als Fundament ermöglicht es, den spirituellen Sinn der Riten zu entfalten, ohne die historische Realität zu übergehen oder die sakramentale Objektivität zu relativieren. Die liturgische Handlung ist für Thomas zugleich historisch begründet, sakramental wirksam und geistlich bedeutungstragend.

In dieser Synthese liegt ein theologischer Schlüssel für die gegenwärtige liturgische Erneuerung. Eine erneute Besinnung auf die geistliche Signifikation der Riten kann dazu beitragen, den Vollzug der Liturgie nicht als bloß funktionale Abfolge von Texten und Gesten zu verstehen, sondern als Teilhabe an einem umfassenden Heilswirken Gottes, das die rationale Fassungskraft des Menschen stets wesentlich übersteigt.

Der Ritus der heiligen Messe bezeichnet sowohl das unmittelbare liturgische Geschehen als Literalsinn, als auch in einem zweiten geistlichen Sinn die Phasen des Leidens Christi bis hin zu seiner Auferstehung und der Communicatio pacis, bezeichnet die Heiligung der Kirche und sie bezeichnet die Einigung der Kirche als himmlisches Jerusalem.

Nach Thomas ist das Sakramentale nicht bloß Zeichen, sondern auch Wirkung, beschrieben als Wirkursache (causa efficiens) im Leiden Christi, Formalursache (causa formalis) in der Heiligung der Seele, und Finalursache (causa finalis) durch wirkmächtige Orientierung zum ewigen Leben (ST III, q. 60, a. 3).

Die thomanische Auslegung verbindet in der gelungenen Synthese, wie sie die Summa theologiæ darstellt, wissenschaftlich verbindliche Grundlegung einer verantworteten Messerklärung mit spiritueller Tiefe und erweitertem Verständnis für die unfassbar reiche Wirkmächtigkeit der Liturgie. Thomas von Aquin ermöglicht dadurch einen Zugang zur Messe, der intellektuell präzise, patristisch verwurzelt und spirituell fruchtbar ist.

Die Wiederentdeckung dieser Tradition kann dem heutigen liturgischen Leben dienen, indem sie den Menschen hilft, die Zeichenhandlungen der Messe in ihrer theologischen Bedeutung und Wirkung wahrzunehmen und in eine Haltung der Anbetung, Betrachtung und geistlichen Transformation zu gelangen.

Denn die Liturgie ist nach klassischer Auffassung nicht nur Sprache, Handlung und Gedächtnis, sondern auch Mysterium, Darstellung und Wirkung; nicht nur Vollzug, sondern auch Deutung; nicht nur sakramentale Wirksamkeit, sondern auch geistliche Kontemplation. Die Synthese des Aquinaten bietet hierfür einen Zugang, der zugleich der Tradition verpflichtet und theologisch zukunftsweisend ist.

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