Arnold Esch pflegt zu sagen, dass es eine Rom-Idee gebe, aber keine Istanbul-Idee oder Paris-Idee. Allein Rom verkörpert mehr. Kuniberg Bering, der überaus fleißige emeritierte Professor für Didaktik der Bildenden Künste in Düsseldorf hat nun ein voluminöses Buch "Rom - Mythos und kulturelle Inszenierungen" herausgebracht (Rezension von Nikolas Möller in der Römischen Quartalschrift).

Esch wird darin nicht zitiert, und man fragt sich auch, ob der "Mythos Rom" dasselbe ist wie die "Rom-Idee". Geht es doch Esch weniger um die großen Ideen und Konzepte als vielmehr um das Rom-Bild und die Erwartungen der Pilger, die sich unter Rom immer schon etwas vorstellen, bevor sie dort sind. 

Bering definiert "Idee" platonisch und möchte daher von keiner Rom-Idee sprechen, sondern vom ständig sich wandelnden und anpassenden Mythos. Natürlich ist mit diesem Mythos nicht der antike Götterhimmel mit seinen mythischen Erzählungen gemeint, jedenfalls nicht nur, sondern Berings "Mythos" ist sozuagen das reale und doch zugleich irreale Rom, als das sich diese Stadt bzw. ihre Eliten sehen möchte, also primär die Eingenwahrnehmung (und nicht wie bei Esch die Außen-Wahrnehmung der Nicht-Römer).

Dabei geht Bering doch auch von einem durchgehenden "Mythos Rom" aus: ein Mythos, der irgendwann entstanden sei und sich dann durch die Jahrhunderte hindurchzieht. Konkret bildet sich der Mythos Rom in der Antike, die dann im Mittelalter, in der Renaissance und im Barock bis ins 20. Jahrhundert immer neu aufgegriffen und angeeignet wird. Der Mythos Rom ist die ständige Selbstreferenzialität einer Stadt, die sich immer wieder aus dem antiken, permanent durchgekneteten Formen-, Formeln-, Geschichten- und Bilderschatz ihrer eigenen Geschichte bedient.

Schon die Eliten des kaiserzeitlichen Rom erfinden die Stadt neu, indem sie sich auf das republikanische Rom stützen und daraus ihre Legitimation ziehen, nicht ohne das Alte zu verbiegen und zu transformieren. Das sind im Buch die Kapitel 3 bis 9. Die Kapitel 10 und 11 besprechen die Spätantike, ab dem Kapitel 12 geht es um das antike Rom im Mittelalter und in der Renaissance. Mit dem 18. Kapitel beginnt die Neuzeit (Reformation). Das 21. Kapitel widmet sich dem Risorgimento, das 22. Kapitel dem faschistischen Rom. 

Weshalb man Berings Buch lesen sollte? Weil man danach Rom einfach besser versteht! Gerade jene Generation, die noch das Glück hatte, auf der Schule etwas Latein und Geschichte gelernt zu haben, wird viele Anknüpfungspunkte finden. Die Bezüge werden klarer. Wesentliche Linien treten stärker hervor, gerade auch wo man Fragen und zuweilen Zweifel anmelden möchte.

Der Autor hat aufgrund seiner klassischen sowie didaktischen Ausbildung - gerade in dieser Kombination - einen Blick für das Visuelle und Einprägsame. Er versteht das antike Rom, vermag es aber mit den heutigen Augen zu sehen und damit die Augen der Leser zu öffnen.   

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