streckenweise doch ein Krimi: Universität Münster, Universität Bonn, der Campo Santo Teutonico und was sonst noch dazugehört

Der Münsteraner Priester Johannes Quasten (1900-1987) musste in nationalsozialistischer Zeit ins amerikanische Exil und hatte Glück, an der Catholic University of America in Washington die Professur für Patrologie zu erhalten. (Auf diese Professur hatte sich auch der "Halbarier" Hubert Jedin beworben, während Erik Peterson sie abgelehnt hatte.) Berühmt wurde Quasten dann durch die Herausgabe der Textausgabe "Ancient Christian Writers" und die sog. Quasten-Patrologie, ein dreibändiges Handbuch über die Kirchenväter, das zum Renommee der jungen amerikanischen Universität beitrug. 

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Norbert M. Borengässer (Bonn), lange Zeit beim Prof. Ernst Dassmann am Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte tätig, hat im Eigenverlag eine 205-seitige Biographie Quastens vorgelegt: "Johannes Quasten (1900-1987) - von einem der auszog, seiner Berufung zu folgen" (Bonn 2022). Darin hat er mutmaßlich alle relevanten archivalischen Quellen ausgewertet.

Der vom Niederrhein stammende Quasten gehört in das Wissenschaftsnetzwerk der Dölger-Schule in Münster-Bonn. 1927-1929 war er als junger Priester am Campo Santo Teutonico und studierte am Päpstlichen Institut für Christliche Archäologie, wo er 1938 vergeblich versuchte, einen Lehrauftrag zu erhalten. Stattdessen ging er dann in die USA. 

Bislang war über Quasten nur das Lebensgerüst bekannt (Personenlexikon zur Christlichen Archäologie, 2012, S. 1049f). Borengässer schildert nun erstmals in gut lesbarer, zuweilen auch spannender Weise das gesamte Leben des Priesters und Gelehrten, der verschlungene Wege gehen musste, um eine Lebensstellung als Professor zu erhalten, 1938 in die USA emigrierte, seit 1946 jährlich im Schwarzwald Urlaub machte und sich für seinen Lebensabend 1977/78 in Freiburg i.Br. niederließ. 

Borengässer zeichnet detailliert Quastens akademischen Werdegang nach, stellt ihn aber auch in sein persönliches Netzwerk ein. Er stellt eine Auswahl seiner Kollegen und Freunde zusammen (S. 80ff): unter anderem Berthold Altaner, Odo Casel, Franz Josef Dölger, Albert Ehrhard, Hubert Jedin, Josef Andreas Jungmann, Theodor Klauser, Cunibert Mohlberg, Erik Peterson, die Rahner-Brüder und Karl Theodor Schäfer. Darüber hinaus zählt Borengässer 38 Schüler Quastens an der Katholischen Universität und sammelt dazu detaillierte prosopographische Informationen (S. 59ff).

Spannend sind dann natürlich die Kapitel, die über Krisen und Intrigen handeln, deren Opfer Quasten wurde. Hier bringt Borengässer viele Hintergründe ans Licht. Die erste Krise (S. 31ff) betrifft sein Scheitern an der Universität Münster 1937/38, da die Nationalsozialisten die unter seiner Letiung stehende katholische Studentenburse unterwandert hatten. Schließlich wurde Quasten von den Nazis die Lehrerlaubnis entzogen.

Genau diese Krise wird dann 25 Jahre später von Klauser gegen Quasten verwendet und führt zum zweiten Krisenfall (S. 143ff) an der Bonner Universität. "Letztlich ist er eingebettet im hier gescheiterten Versuch deutscher Universitäten bzw. Fakultäten, erlittenes Unrecht im sog. Dritten Reich wieder gutmachen zu wollen" (S. 143). Dass  Quasten 1962 trotz des durch die Nazis erlittenen Unrechts nicht einmal auf die Liste für Klausers Nachfolge auf dem Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte kam, lag - grob gesagt - an der an Heuchelei kaum zu überbietenden Intrige Klausers selbst (vgl. S. 147).  Ein Lehrstück über das Hauen und Stechen der "lieben Kollegen" an manchen Universitäten (sehr richtig Borengässers Moral der Geschicht': S. 185). 

Dem Autor sei gratuliert zu diesem herrlichen Zitat Karl Theodor Schäfers in einem Brief an den Dekan der Katholischen Fakultät Bonn (allein dafür lohnt sich schon die Lektüre des Buches). Schäfer setzt sich ehrenvoll für Quasten gegen Klauser ein und sagt (über diesen): "zu den merkwürdigsten Erfahrungen, die ich in drei Jahrzehnten akademischer Lehrtätigkeit habe machen müssen, gehört die, wie auffallend häufig das Gedächtnis gerade von Historikern, die uns über Ereignisse vor vielen Jahrhunderten glauben belehren zu können, versagt, wenn es sich um Begebenheiten der jüngsten Vergangenheit handelt, an denen sie beteiligt gewesen sind" (S. 149) - ein typischer Fall von "historischer Weitsichtigkeit".

Schön ist dann auch dieser Satz des wahren Helden dieses Buches, des Kölner Priesters und Bonner Professors Karl Theodor Schäfer (1900-1974), Altersgenosse Quastens. Borengässer lässt Schäfer dankenswerter Weise ausführlich zu Wort kommen, wenn er am Ende dieser betrüblichen Ereignisse 1962 schreibt: "Die Namen Klauser und Quasten sind bei mir unzertrennlich verbunden mit der Erinnerung an drei der schönsten Jahre meines Lebens, die [wir] 1925 bis 1928 im Campo Santo Teutonico in Rom verbrachten. Seit dieser Zeit bin icvh mit beiden freundschaftlich verbunden gewesen, weit mehr aber mit Herrn Klauser als mit Herrn Quasten" (S. 183).