Von Hartmut Benz
(Vorbemerkung: In der Hommage Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. "Historische Intuitionen" findet sich ein höchst interessanter Beitrag von Federica G. Giordani über einen diplomatischen Zwischenfall mit einer Goldenen Rose im Zusammenhang der faschistischen Eroberung Äthiopiens 1937. Die Goldene Rose ist ein Ehrengeschenk, das der Papst seit dem Mittelalter Personen oder Institutionen zu widmen pflegte. Im folgenden Beitrag geht es ebenfalls um eine solche Rose während des Pontifikats Pius' XI.) 

Unter den Zufallsfunden, die beim Durchblättern einer Akte zu genauerem Lesen verführen, zählte vor einigen Jahren folgender, im Archiv des Staatssekretariats lagernder Vorgang: Am 2. Januar 1935 schrieb „Mia Brogsitter, Stud(ien)-Ass(essorin) i. R.“, wohnhaft im „Haus Regina Pacis, Hindenburgplatz 16 [heute: Marktplatz] in Ahrweiler“, an Papst Pius XI. Am 19. Juli 1933 sei sie „an der Städt(ischen) Auguste-Viktoria-Schule“ als Lehrerin „abgebaut“ worden.

Um welche Schule dieses Namens es sich hier genau handelt, muß leider unbekannt bleiben. Die „Regierung“ habe sie daraufhin in ihre „Heimat (...), an das Oberlyzeum der Ursulinen auf dem Calvarienberg“, versetzt. Eine „Schwester [ihrer] Ur-Großmutter, Sybilla Knieps“, sei als „Mitbegründerin“ dieser Schule anzusehen – habe sie doch die Ursulinen, die 1838 ihr Kloster in Monschau aufgeben mußten, damals nach Ahrweiler vermittelt. Dennoch habe die Schulleitung sie 1933 abgewiesen. Kurz darauf sei dort auch ihre „Schwester (...) als Geigenlehrerin nicht angenommen worden, dafür [aber] ein evangelischer Herr.“
Brogsitter vermutet, ihr werde ihre politische Einstellung verübelt. Seit „1931 arbeite [sie] an einer größeren, germanisch-christlichen Arbeit“, in der sie zu dem Schluß komme, daß „Adolf Hitler Europa gerettet [habe], mit Gottes Hilfe, und [er] das Christentum vor dem Versinken in’s Weltliche“ bewahre – Verdienste, die der Papst würdigen solle. „Wie wäre es“, so fragt sie schließlich, „wenn Eu(er) Heiligkeit die goldene Rose in diesem Jahre unser(e)m Führer schenken würden?“ Außer dem Eingangsvermerk und der Vergabe der „Prot.-No. 76/35“ scheint die Eingabe im Vatikan keine weitere Beachtung gefunden zu haben.
Warum Mia Brogsitter ausgerechnet um die Verleihung der „Goldenen Rose“ bat, ist rätselhaft – schließlich war diese höchst exklusive Auszeichnung zuletzt 1780 einem Mann verliehen worden. Seither hatten die Päpste nur Frauen oder Institutionen (wie Kirchen oder Wallfahrtsstätten) bedacht. Vielleicht hatte sie 1925 von der Überreichung der „Goldenen Rose“ an die Königin der Belgier gelesen, die auch in Deutschland breit rezipiert wurde, da Königin Elisabeth Gabriele (1876 – 1965) eine gebürtige Herzogin in Bayern war. Die letzte Dame, der eine „Goldene Rose“ verehrt wurde, sollte Großherzogin Charlotte von Luxemburg (1896 – 1985) sein, die von 1919 bis 1964 regierte und 1956 durch Papst Pius XII. mit diesem Kleinod geehrt wurde. Am 23. Oktober 1956 überreichte ihr der damalige Nuntius in Belgien und Luxemburg, Erzbischof Efrem Forni (1889 – 1976), in der Kathedrale von Luxemburg die „Rosa d’Oro“, die bis heute in Schloß Fischbach / Luxemburg verwahrt wird.

Abbildungsuntertitel: Großherzogin Charlotte von Luxemburg zwischen Papst Johannes Paul II., der Luxemburg im Mai 1985 besuchte, und der ihr von Papst Pius XII. 1956 verliehenen „Goldenen Rose“. Hinter ihr stehen ihr Sohn, Großherzog Jean, und dessen Gemahlin, Großherzogin Joséphine Charlotte.