Im November 1962, wenige Wochen nach der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils, bei dem er anwesend war, hielt der Schweizer Priester Hans Küng einen Görres-Vortrag am Römischen Institut zum Thema: "Der Frühkatholizismus im Neuen Testament als kontroverstheologisches Problem", den er in der Tübinger Theologischen Quartalschrift (1962, 385-424) veröffentlichte.

In einer Fußnote weist er darauf hin, dass er diesen Beitrag sowohl am Römischen Institut als auch - als ehemaliger Germaniker - am Germanicum hielt. Indes war er nicht am Campo Santo Teutonico. Denn im Mai 1962 begann der Abriss des sog. Damenstifts bzw. Damentrakts, in dem sich der Vortragssaal befand. Stattdessen wurden während der Bauarbeiten die Görres-Vorträge im Festsaal der Anima nahe der Piazza Navona gehalten (Jahresbericht der Görres-Gesellschaft 1962, 52). Dort also trat Küng auf. 

Der Beitrag ist insofern interessant, als Küng versucht, das protestantische Interpretationsschema "Frühkatholizismus", das sich ja eigentlich gegen die katholische Kirche richtet, durch einen Kunstgriff katholisch zu vereinnahmen. Er sagt nämlich, dass sich, wie die protestantische Exegese zugebe, der Frühkatholizismus letztlich auch schon im Neuen Testament finde. Damit sei er also schriftgemäß. Küng teilt dabei Käsemanns bis heute viel vertretene These, dass alle Konfessionen sich auf das Neue Testament berufen können und nur alle Konfessionen zusammen die katholische Kirche abbilden.

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