Am 10. August ist im Alter von 89 Jahren der hoch dekorierte Bonner Kirchenhistoriker Prof. Dr. Gabriel Adriányi im städtischen Krankenhaus in Zalaegerszeg verstorben. Seit 1974 war er Mitglied der Görres-Gesellschaft. Als Nachfolger seines Lehrers Bernhard Stasiewski war er von 1976 bis 2000 Professor für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Bonn.

Als solchen erlebte auch ich ihn, als ich 1982 bis 1988 in Bonn studierte. Adriányi war wohl so etwas wie ein bunter Vogel in der Fakultät. Seine Vorlesungen erstreckten sich in manchen Teilen auf die "Vorlesung" des Jedin-Handbuchs, vorzüglich die anstößigen Seiten der Renaissance-Päpste, die er mit großem Genuß und zum Ergötzen der großen Zuhörerschaft - damals waren die Hörsäle noch voll! - zum Besten gab. Unverkennbar war sein kurioses Deutsch, das großes Vergnügen bereitete. Man muss aber auch sagen, dass seine eigentliche Stärke, die ungarische Kirchengeschichte, in Bonn naturgemäß eher ein Nischeninteresse war. Dennoch wurde unter ihm eine bedeutende ostkirchliche Abteilung aufgebaut. 

Beim Hörsaal stand - und steht noch heute - die goldene Statue des Erzengels Michael mit dem dräuenden Schlangenschwert: Quis ut Deus? Erzengel Gabriel machte Niemandem Angst. Die Prüfungen waren in meiner Erinnerung sehr human. Damals war ich Hilfskraft bei Ernst Dassmann, Stefan Samerski bei Adriányi. Es gab zudem an der Fakultät Assistenten und Mitarbeiter in Hülle und Fülle. Die Pro- und Hauptseminare fanden in den mit Büchern bis unter die Decke vollgestopften Seminarräumen statt. Das war alles sehr beeindruckend, zumal die Theologen in Bonn die schönsten Räume im Hauptgebäude mit Blick auf den Hofgarten haben. 

Adriányi wusste zu genießen. Ich erinnere mich noch an ein absolutes Highlight: Er lud die gesamte Kirchengeschichte - bis hinunter zu den Hilfskräften - zu sich nach Hause nach Oberdollendorf zum Abendessen ein. Eine riesige Tafel. Er selber stand in der Küche. Es gab Ente, natrürlich mit Rotwein, und alles war eigens von ihm mit dem Auto aus Frankreich geholt worden. Exzellent! 

Adriányi war international. Er war Ungar, wurde in Rom am Angelicum promoviert und hatte enge Beziehungen nach Frankreich (Toulouse) und Polen (Warschau). Als Flüchtling - er war geheim geweiht worden und floh 1961 in den Westen - war er ein entschiedener Gegner des Kommunismus und seiner westlichen Ableger. Auch die vatikanische Ostpolitik unter Casaroli war ihm suspekt.

2005 traf ich ihn das erste Mal wieder seit meinen Bonner Tagen am Campo Santo, wo er logierte. Er war ganz der Alte, und zu dieser Zeit unterrichtete er als Bonner Emeritus noch in Budapest. Im Herbst 2018 war meine letzte Begegnung mit ihm, wieder in Rom am Campo Santo, anlässlich der Jahrestagung der Gesellschaft für Konziliengeschichtsforschung. Er hielt dort einen Vortrag. Beim Ausflug nach Vescovio unterhielten wir uns lange. Sehr interessant werden dürften seine Memoiren. Kardinal Höffner hatte er in rührendster Erinnerung als seinen großen Mentor. 

Prof. Adriányi wurde am 22. August in der Krypta der Pfarrkirche Hl. Margareta in Veszprém beigesetzt.