Der 1861 in Dippach (Luxemburg) geborene Archäologe und Mediävist Johann Peter Kirsch prägte in zwei Amtszeiten zusammen mit seinem Fachkollegen und Freund Stefan Ehses die ersten 5 Jahrzehnte des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft.

Als zehnjähriger Knabe zog Kirsch (von seinen Freunden „Jempi" [Jean-Pierre] genannt) für zwei Jahre zu seinem Priesteronkel Johann Jakob Didier nach Fels, der kunstgeschichtlich sehr aufgeschlossen war. Von dort ging er im Herbst 1874 nach Luxemburg ins bischöfliche Konvikt Maria Rheinsheim, um bis 1880 am dortigen Athenaeum die Gymnasialausbildung zu absolvieren. Anschließend wechselte er ans Priesterseminar. Nach einem Jahr Philosophie und drei Jahren Theologie wurde er am 23.08.1884 zum Priester geweiht.

Der Bischof schickte ihn nach kurzer Kaplanszeit in Dippach zum Studium der Christliche Archäologie nach Rom, wo er im Herbst 1884 fast zeitgleich mit Joseph Wilpert, mit dem er sein Leben lang in Freundschaft verbunden blieb, in den Campo Santo Teutonico eintrat. Beide wollten die christlichen Altertümer erforschen, besuchten aber auch die Kurse von Isidoro Carini in der neu gegründeten vatikanischen Schule für Paläographie, die Kirsch 1887 nach drei Jahren mit dem Diplom als Archivista-Paleografo abschloss. Seither befasste er sich auch und zuweilen vorrangig mit mittelalterlichen Handschriften und Archivprojekten, was ihm Wilpert als Abfall von seiner arch. Berufung vorhielt.

Für den Rektor des Campo Santo Teutonico, Anton de Waal (nicht zu verwechseln mit dem Kardinalstaatssekretär Rafael Merry del Val!), war Kirsch jedoch der ideale Mitarbeiter: archäologisch wie historisch interessiert, arbeitsfreudig u. organisatorisch begabt. Er hielt zahlreiche Kollegsvorträge („Sabbatinen"). An den röm. Konferenzen für Christliche Archäologie (bis 1894 unter Leitung Giovanni Battista de Rossi's), Internationalen Kongressen katholischer Gelehrter, Generalversammlungen der Görres-Gesellschaft u. später Internationalen Kongressen für Christliche Archäologie nahm er wenn irgend möglich teil. Er trat mit Wilpert am 09.12.1884 ins Collegium Cultorum Martyrum ein (1889-1890 Sekretär), stand seither in Kontakt zu de Rossi und besuchte die Vorlesungen Mariano Armellini's in Sant'Apollinare. Früh war er auch mit Heinrich Seuse Denifle O.P. vertraut, von dem er in diesen ersten römischen Jahren neben de Rossi die „reichste wissenschaftliche Anregung empfing", und mit Stephan Ehses, der einer der wichtigsten Gestalten der Görres-Gesellschaft in Rom werden sollte.

Gruppenphoto Mit de Waal und Papst Pius X. im Mittelpunkt1887 unterstützte er Anton de Waal bei der Gründung der Römischen Quartalschrift. Als er allerdings 1890 de Waal anbot, als Mitredakteur aufzutreten, und dieser ablehnte, übernahm er für das Historische Jahrbuch die Novitätenschau Kunst- und Alten Kirchengesch. Seit 1900 lieferte er aber (seit 1907 als Mitherausgeber) der Römischen Quartalschrift unermüdlich bis zu seinem Tod den jährlichen Anzeiger für christliche Archäologie mit aktuellen Forschungsberichten u. systematischer Bibliographie. Im Frühjahr 1888 studierte er bei Francesco Saverio Cavallari in Syrakus Inschriften und Katakomben u. machte zusammen mit seiner künftigen Schwägerin Olga Puricelli Abzeichnungen; in Neapel untersuchte er Bleibullen. Am 06.12.1888 kehrte er zur Gründung und Leitung des Historischen Instituts der Görres-Gesellschaft an den Campo Santo Teutonico zurück u. entging so der Exegeseprofessur in Luxemburg; gewissenhaft erstattete er über die Tätigkeit des Görres-Instituts an die Leitung in Köln Bericht.

Die ersten kirchenhistorischen Projekte der Görres-Station (Apostolische Kammer) besprach er mit Ludwig Pastor und de Rossi. Bereits 1894 beschäftigte sich Kirsch mit dem Trienter Konzil, was für die Zukunft ein wichtiger Forschungsschwerpunkt des Instituts werden sollte. 1890 bot man Kirsch eine ordentliche Professur für Kirchengeschichte mit Lehrauftrag in Patrologie und Christliche Archäologie an der neu zu gründenden Katholischen Universität Fribourg an. Nach seiner Ernennung verlieh ihm die päpstliche Studienkongregation den theologischen Doktorgrad.

Am 08.07.1890 verließ er den Campo Santo Teutonico, um nach Fribourg zu gehen; sein Nachfolger als Direktor des RIGG wurde Joseph Schlecht.

Kirsch hielt, inhaltlich de Rossi verpflichtet, archäologische Vorlesungen und Seminare auf Deutsch und Französisch. Der Zweijahreskurs behandelte Klerus, Kult (Architektur, Katakomben), Privatleben (Caristas) und Kunst (Malerei, Skulptur). Kirsch illustrierte seinen Unterricht mit Wilperts Aquarellen, Gipskopien u. anderem Material, später mit einem Episkop. Zu seinen Schülern zählten Alfred Holder aus Strassburg, Carl Maria Kaufmann, Wilhelm Schnyder, Karl Gschwind, der holländische Priester Leo Balet, der über frühchristliche Petrusdarstellungen arbeiten sollte, den er dann aber fallen ließ, und der badener Priester Max Josef Metzger, den er vergeblich für eine archäologische Kaplanei am Campo Santo Teutonico zu gewinnen versuchte. 1892 hatte Kirsch drei archäologische Doktoranden: über den Episkopat im Altertum, die eucharistischen Opferelemente im Altertum („gegen Harnack") u. die Gebete und Akklamationen auf altchristl. Inschriften („gegen Schultze"). 1926 hatte er sechs Promovenden.

Porträtphoto WilpertsEin bereits 1891 ins Auge gefasstes Handbuch der Christlichen Archäologie wollte Kirsch aus seinem Unterrrichtsstoff bestreiten; es kam nicht zustande ebensowenig wie das seit 1893 konzipierte Werk „Der Klerus in der christlichen Antike unter besonderer Berücksichtigung der archäologischen Monumente". Kirsch hielt sich jedes Jahr mehrere Wochen in Rom auf. Am 26.09.1894 beabsichtigte er von Fribourg nach Rom überzusiedeln und sich ganz dem Institut und Trient zu widmen. 

Zum Jahr 1900 betrieb er maßgeblich die Gründung einer archäologischen Abteilung des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft unter Leiter Wilperts, das dann aber faktisch nur bis zum 1. Weltkrieg bestand. Kirsch bewarb sich 1903 vergeblich um die Nachfolge von Franz Xaver Kraus in Freiburg. Im Sommer 1910 stand Kirsch auf dem dritten Platz (nach Heinrich Schrörs u. Georg Pfeilschifter) auf der Liste der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Breslau für die Nachfolge August Nürnbergers. Nach dem Tod Max Sdraleks 1913 empfahl Wilpert dem Breslauer Kardinal Kirsch als Nachfolger auf dem Lehrstuhl für christliche Kunst in Breslau.

Gegen den Widerstand Hermann Grauerts setzten Georg von Hertling und Kirsch als Präsident der Sektion für Altertumskunde der Görres-Gesellschaft 1908 die Gründung des bereits seit 1904 avisierten Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft durch, nicht zuletzt um Anton Baumstarks Zeitschrift Oriens Christianus zu stärken. Dazu reiste er mehrfach nach Jerusalem, schrieb Berichte u. setzte sich auch für die Wiedereröffnung 1926 ein. Am 25.02.1925 wurde er korrespondierendes Mitglied, 1932 effektives Mitglied der Pontificia Commissione di Archeologia Sacra. In eine neue Phase seiner wissenschaftlichen Tätigkeit trat Kirsch mit der Gründung des Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana, womit er gleichsam wieder zu seinen christlich-archäologischen Anfängen zurückkehrte.

Mit dieser neuen Aufgabe hängt zusammen, dass Kirsch seit Herbst 1926 - nach Ehses' Tod - auch wieder die Leitung des RIGG übernahm, und zwar bis zu seinem Tod 1941. Allerdings war er seit 1937 Direktor außer Dienst, während amtierender Direktor Hermann Maria Stoeckle war.

Porträtphoto Pius' XI.1923-1924 hielt Kirsch mit Zustimmung Pius' XI., der ihn schon ein Jahr zuvor über seine Absicht der Gründung des Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana gesprochen hatte, am Campo Santo Teutonico einen Kurs für junge Wissenschaftler, die sich für die Christliche Archäologie interessierten (solche privaten Kurse setzte er bis 1925 fort). Im August 1924 schrieb ihm Kardinal Franz Ehrle, dass Pius XI. wünsche, er möge länger in Rom bleiben, um an der Gründung des Instituts mitzuwirken. Kirsch selbst stellte es so dar, dass er allein zusammen mit Pius XI. Statuten und Professoren des zu gründenden Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana bestimmt habe. Weder er noch Eugenio Pacelli erwähnen Angelo Silvagni, von dem jedoch von Seiten der Pontificia Commissione di Archeologia Sacra bereits 1919 gegenüber Benedikt XV. erste Impulse für ein solches Institut ausgingen. Kirsch wurde Gründungsrektor und blieb bis zu seinem Tod prägende Figur des neuen Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana (via Napoleone III, 1).

Kirsch dozierte bis 1932 je das Sommersemester in Fribourg u. das Wintersemester am Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana, während er am Campo Santo Teutonico wohnte (beurlaubt vom Lehrdienst in Fribourg 1926-1928, 1930-1931, Honorarprofessur seit 1934). In seiner Abwesenheit von Rom übernahm Eduard Junyent seine Lehrverpflichtungen am Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana. Im Juli 1932 reichte er seine Demission als ordentlicher Professor in Fribourg ein und zog endgültig nach Rom, wo er seit etwa Mai 1933 wegen seiner umfangreichen Bibliothek in der via Ruggero Bonghi 9 wohnte. 1935 brachte Kirsch die altehrwürdige Institution der Vorträge der Società dei Cultori di Archeologia Cristiana zum Erliegen, auf denen er selber mehrfach referiert hatte, als er verlangte, sie im Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana abzuhalten.

Insgesamt war Kirsch in seinen christlich-archäologischen Arbeiten ein Generalist, Bibliograph und Kompilator, kein Grundlagenforscher. Das wird aus seinem immensen unveröffentlichten Archivmaterial noch einmal mehr deutlich. Dennoch hat er dem Institut durchaus auch eine wiss. Richtung zu geben versucht, indem er die römischen Titelkirchen und Diakonien zu einem Hauptarbeitsfeld machte. Seine Thesen, dass die Titelkirchen auf vorkonstantinische domus ecclesiae zurückgingen und erst im Verlauf des 6. Jh. Heiligenpatrozinien annahmen, wurden für viele Jahrzehnte maßgeblich. Er förderte entsprechende Studien von Adolf Kalsbach, Gastone Baldracco, Heinrich Bretzler, Maurice Mesnard, Eduard Junyent, René Vielliard und Jean Lestocquoy.

Straßenansicht des Gebäudes des Archäologischen InstitutsMit dem 4. Internationalen Kongress für Christliche Archäologie 1938 im Vatikan, der sich mit der Kirchenarchitektur befasste, war freilich sein Zenit längst überschritten. Von der röm. Schule der Christlichen Archäologie, die zu sehr auf Rom selbst fixiert war, waren keine entscheidenden Impulse mehr zu erwarten, und der 2. Weltkrieg trug seinen Teil dazu bei, dass das Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana nach Kirsch's Tod in eine lange, existenzgefährende Krise geriet. Seine Kontaktfreudigkeit – Bekanntschaften seit seiner frühesten römischen Zeit mit Giovanni Battista de Rossi, Enrico Stevenson, Orazio Marucchi, Franz Xaver Kraus, Heinrich Swoboda, Albert Ehrhard u.v.a. – ist in zahlreichen Briefen aus seiner Feder dokumentiert. Häufig traf er sich im Sommer mit Freunden (Ehses, Wilpert, Denifle u.a.) bei seinem vermögenden Bruder Nikolaus Kirsch(-Puricelli) auf der Rheinböllerhütte (Hunsrück) oder auf Burg Reichenstein am Rhein. Kirsch war völlig selbstlos, kümmerte sich um alle Belange, für die er Verantwortung übernommen hatte, mit unerschütterlicher Gewissenhaftigkeit, kannte keinerlei Allüren und wurde von den Camposantinern wegen seiner Güte „Papa Kirsch" genannt. Kirsch zog wenige Monate vor seinem Tod in die Villa S. Francesco, wo er verstarb. Angelo Silvagni hatte bereits vorher die Geschäfte des Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana als Pro-Rektor geleitet, bis Pio Franchi de'Cavalieri zum Rektor ernannt wurde. Kirsch setzte in seinem Testament vom 14.03.1937 den Heiligen Stuhl zugunsten des Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana als Universalerben ein. Seine Bibliothek, nicht zuletzt durch unzählige Rezensionen zusammengekommen, und sein Nachlass gelangten so ans Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana. Ein Teil der Bibliothek sollte an den Campo Santo Teutonico abgetreten werden.