Kürzlich sagte ein kompetenter Vatikan-Mitarbeiter, dass von den 100 ihm bekannten Kirchenneubauten in Rom aus den letzten Jahrzehnten nur einer liturgisch und künstlerisch akzeptabel sei. In der Regel werde den (liturgisch eher ahnungslosen) Architekten freie Hand gelassen, um Gebäude nach ihrem Geschmack und "im Geiste des Konzils" zu schaffen. So sollte es natürlich nicht sein. Umso wichtiger ist eine spanische Studie des römischen Liturgieprofessors Fernando López-Arias, der einige Missverständnisse über das Konzil korrigiert und den Konzilsgeist mit überprüfbaren Fakten auf den Boden der Tatsachen zurückholt.

Dies gelingt ihm vor allem durch bisher vernachlässigte Archivstudien. Er stützt sich auf Konzilsakten und auf die Privatarchive von Personen, die mit dem Entwurf und der Abfassung der betreffenden Konzilstexte befasst waren. Zentral ist zum Beispiel das Archiv von Carlo Braga. Diese Methode ermöglicht es López-Arias, die Entwicklung der Konzilstexte genau zu rekonstruieren und auf dieser Grundlage zu ermitteln, was die Konzilsaussagen aus der Textgenese heraus meinen. Das Ganze stellt er nachprüfbar in Synopsen zusammen. 

Er geht die Texte des Konzils und die vorbereitenden Entwürfe zu allen wesentlichen Elementen eines Kirchenbaus durch: Sedilien, Altar, Ambo, Taufkapelle, Tabernakel, Presbyterium, Chor, Orgel usw. Zu den Stärken der Studie gehört, dass sie auch den modernen Kirchenbau bis zum Konzil berücksichtigt, der den Intentionen des Konzils recht nahe kam und somit helfen kann, das Konzil zu verstehen. Dies betrifft z.B. den freistehenden Altar unter grundsätzlicher Beibehaltung der "Ostung", die Zentralität des Tabernakels, die Kirche als Ort des Gottesdienstes und die Betonung des Taufraumes. 

Wichtig ist auch der Hinweis, dass zum Verständnis des Konzils keineswegs nur die Artikel zum Kirchenbau in der Liturgiekonstitution (124, 128) zu berücksichtigen sind, sondern auch ein langer Abschnitt im Priesterdekret (5). Im Priesterdekret wird die Kirche mit dem von Jesus selbst verwendeten Begriff als domus orationis - "Haus des Gebets" (in der üblichen deutschen Übersetzung des Konzils fälschlicherweise mit "Haus Gottes" übersetzt) - bezeichnet. Aus der Sicht der Konzilsväter kommt damit neben dem Kriterium der liturgischen Funktionalität und der aktiven Teilnahme der Gläubigen ein weiteres traditionelles Kriterium des Kirchenbaus in den Blick: Ein Kirchenraum muss auch seiner außereucharistischen Bedeutung als Ort der (gemeinschaftlichen oder individuellen) Anbetung, der Meditation, der Beichte etc. gerecht werden. 

Das Buch handelt, wie der Titel sagt, von "Sakralarchitektur" im Zweiten Vatikanischen Konzil. Im Großen und Ganzen kann man jedoch sagen, dass "Sakralität" für die meisten modernen Kirchenbauten keine relevante Kategorie mehr ist. Allenfalls spricht man unspezifisch von Spiritualität, Transzendenz oder ähnlichem. Erstaunlicherweise weiß auch López-Arias in den Texten zur Vorbereitung des Konzils alle möglichen "programmatischen Prinzipien" des Kirchenbaus aufzuzählen (Partizipation, Funktionalität, Archäologismus ...), aber nicht die Sakralität. Man kann darüber spekulieren: Gingen die Theologen in den 1950er und 1960er Jahren (noch) davon aus, dass die Sakralität einfach mit dem Akt der Kircheweihe hergestellt ist, egal wie hübsch oder hässlich sich ein Kirchenraum auftut?

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