Päpste lassen sich gern vervielfältigen, nicht erst heute. In anderen Zeiten rissen sich Porträtkünstler darum, Päpste "dal vivo" malen zu dürfen. Papst Pius X. (1903-1914), bekannt für seinen vehementen Einsatz für die kirchliche Glaubenstradition, wurde unzählige Male porträtiert. Mons. Lucio Bonora hat darüber nun einen voluminösen Band herausgebracht, in dem er vor allem die italienischen Maler behandelt.

Mons. Bonora hat auch in der Bibliothek des Campo Santo Teutonico fleißig an seinem Buch gearbeitet.

Vatican News hat darüber einen ausführlichen Bericht gebracht (HIER).

Der Band kann nur in der Buchhandlung La Leoniana bestellt werden (HIER), da er keine ISBN-Nummer hat.

Der Prachtband ist zugleich eine anschauliche Papst- und Kulturgeschichte eines Papstes, den die Italiener nach wie vor tief verehren - er ist ja sogar heiliggesprochen - während die Deutschen wegen seines Antimodernismus die Nase rümpfen. Dabei haben selbst kritische Zeitgenossen den Antimodernismus in der Sache durchaus für richtig gehalten, auch wenn sie die Vorgehensweise des Papstes in vielem nicht für klug hielten.

Zu solchen differenzierten Beobachtern gehörte auch Paul Maria Baumgarten, der Pius X. durchaus verehrte. Er berichtet über einen jungen Porträtmaler, dem er eine Audienz verschaffte. Diesen ungenannten Maler könnte man noch in dem Buch ergänzen. Den Text fand ich erst, als das Buch schon fertig war. Baumgarten schreibt also (AAV Carte Baumgarten):

„Weitaus das beste Bild des Papstes Pius X., was je gemacht worden ist, verdankt meiner Vermittlung sein Dasein. Ein jüngerer Berliner Maler war an mich herangetreten mit der Bitte, ihm eine Gelegenheit zu verschaffen, daß er den Papst bei einer öffentlichen Veranstaltung zeichnen dürfe. Ich besprach die Sache mit Monsignor Maestro di Camera, und der gab die Erlaubnis, daß ich den Maler bei dem nächsten Empfange, der in der Sala Concistoriale stattfand, mitbringen dürfe.

Wir erhielten sehr gute Plätze am Fenster in einer Linie mit dem Throne. Das Licht war ausgezeichnet, da die Sala nach Norden liegt und der Tag hell und klar war. Da Pius X. auf dem Throne sehr ruhig zu sitzen pflegte und sich namentlich bei Ansprachen, die an ihn gehalten wurden, kaum bewegte, so konnte der Maler sehr flott arbeiten.

Es gelang ihm die feine Zeichnung im Laufe des Empfanges ganz fertig zu stellen. Zu Hause belebte er sie mit den sehr wenigen nötigen Aquarellfarben, so daß ein vollendetes Kunstwerk von größter Ähnlichkeit zustande gekommen war.

Später schenkte mir der Maler das wertvolle Blatt und ich ließ es rahmen. In meinem Zimmer hing es über dem Schreibtisch und erregte die Aufmerksamkeit und Begeisterung eines jeden Besuchers, der sich in meine Klause verirrte.

Als ich Rom verlassen mußte, war ich gezwungen zusammen mit meinen anderen Habseligkeiten auch dieses mir sehr ans Herz gewachsene Bild zu verkaufen. Herr Joseph Stocker wurde der glückliche Eigentümer dieses ausgezeichneten Werkes, das später die Witwe des Malers von ihm kaufte“.

Der hier genannte junge Berliner Maler könnte jener "Historien- und Porträtmaler" Paul Becker aus Berlin-Charlottenburg sein, mit dem Anton de Waal, der Rektor des Campo Santo Teutonico, 1898 korrespondierte. Dieser Becker hatte allerdings einen gleichnamigen Cousin, der ebenfalls malte. Es war wohl eher dieser, den Baumgarten meint (denn dieser lebte 1885-1949, war also unter Pius X. um die 20 Jahre alt). 

Der genannte Joseph Stocker hat sicher mit Alexander Stocker zu tun, der ein Devotionaliengeschäft im Campo Santo Teutonico selbst besaß, das zum Heiligen Jahr 1900 eröffnet worden war. Man sieht das Geschäft abgebildet bei S. Heid, Wohnen wie in Katakomben, S. 108. Es wurde 1930 im Zuge der Lateranverträge abgerissen. Was dann aus dem "weitaus besten Bild des Papstes Pius X." geworden ist, ist leider nicht bekannt.