Immer wieder werde ich im Rahmen meiner Lehrtätigkeit am Päpstlichen Institut für Christliche Archäologie auf die Frage gestoßen, was es mit den frühchristlichen Hauskirchen auf sich habe. Auch aus dem deutschen Sprachraum kommt gerade auch im Zuge vieler pastoraler Experimente und Bewegungen die Behauptung auf, die früheste Form des christlichen Gottesdienstes sei die Messe im Wohnzimmer gewesen, eben eine Art Hauskirche. Unzählige wissenschaftliche und populäre, liturgiehistorische wie pastorale Veröffentlichungen gehen davon ganz selbstverständlich aus. Manchmal ist die Wissenschaft aber auf einem echten Holzweg gelandet, oft mit üblen Nebenwirkungen. Und das hat falsche Fährten auch in den offiziellen Bibelübersetzungen und Lektionaren gelegt.

Der evangelische Exeget Hans Förster hat etwa in der jüngsten Ausgabe der Herderkorrespondenz gezeigt, dass in Matthäus 12,14 "Die Pharisäer aber gingen hinaus und fassten den Beschluss, Jesus umzubringen" (ökumenische Einheitsübersetzung) glattweg falsch übersetzt ist und leider die Judenfeindschaft Luthers in seiner deutschen Lutherübersetzung weitertransportiert ("Da gingen die Pharisäer hinaus und hielten Rat über ihn, dass sie ihn umbrächten"). Denn im Griechischen heißt es schlicht: "... und berieten, wie sie Jesus loswerden könnten".

Ähnlich ist es mit den Hauskirchen. Nicht einmal das Wort gibt es im Griechischen oder Lateinischen. Es ist eine reine Erfindung der deutschen Wissenschaftssprache des 20. Jahrhunderts. Und auch die Sache gab es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht: Hauskirchen sind eine liebgewordene, aber doch romantisch verbrämte Vorstellung vom Urchristentum, die letztlich auf die römischen Legenden des 5./6. Jahrhunderts zurückgeht, wonach sich die Christen in der Verfolgungszeit entweder in Katakomben oder in Häusern versteckt hätten.

Mit dieser Brille haben die Bibelforscher das Neue Testament gelesen. So gibt die Einheitsübersetzung Apg 2,46 so wider: "(Die Christen in Jerusalem) brachen in ihren Häusern das Brot". Der griechische Text sagt aber nur: "sie ... brachen in einem Haus (kat'oikon) Brot". Da ist nur von Brotverteilung und gemeinsamem Mahl in einem Haus die Rede. Alles andere ist Interpretation. Und auch die vier Stellen, an denen angeblich Paulus von Hauskirchen in Rom, Kolossä u.s.w. spricht, werden durchgehend falsch übersetzt.

Natürlich haben auch Christen in Häusern gewohnt. Natürlich haben sie auch zusammen gebetet und gesungen und dazu Familien und Freunde eingeladen. Aber nirgends bei Paulus und in der Apostelgeschichte lässt sich ein in verschiedene Hausgemeinden mit eigenen Eucharistiefeiern zerfallendes Christentum nachweisen. Im Gegenteil: Die Einheit des Gottesdienstes aller Christen eines Stadtgebiets wird stets betont (Apg 2,44). Wenn es keine Hauskirchen gab, wie muss man sich dann den Gottesdienst der Christen vorstellen? Dazu ausführlich Altar und Kirche. Prinzipien christlicher Liturgie. (Bild: die Kirche (nicht Hauskirche) in der Stadt Dura Europos, 3. Jh.)