Gleich am Eingang des deutschen Friedhofs im Vatikan, wenn man die Stufen heruntergegangen ist, stößt man auf ein Grab, das heute wohl fast niemand mehr wahrnimmt, das aber zu den ganz bedeutenden des Campo Santo gehört. Dort liegt der belgische Prälat und Historiker Alfred Cauchie (1860-1922). 1888, im Jahr der Gründung des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, war er Kollegiat am Campo Santo Teutonico (bis 1889). Seit 1896 war er Professor für Heuristik und Geschichte an der Katholischen Universität Löwen, wo er sogleich das Historische Seminar aufbaute. 1900 gründete er die berühmte Revue d'Histoire Ecclésiastique (die Bibliothek des Campo Santo Teutonico besitzt sie seit dem 1. Jahrgang, musste sie aber wegen astronomischer Preise 2011 abbestellen). Seoit 1919 war er Direktor des Belgischen Historischen Instituts (heute Belg. Akademie), das er bis zu seinem frühen Tod aufgrund eines Verkehrsunfalls leitete. 

Cauchie war von enormer Bedeutung für die Kirchengeschichte an den Hochschulen und Universitäten, gerade auch in Deutschland, aufgrund seines "Historischen Seminars": Hauptgedanke war, die Studenten an den Forschungsarbeiten des Professors teilhaben zu lassen und sie so zum wissenschaftlichen Arbeiten und zu eigenen Forschungen hinzuführen. In praktischen Seminarübungen, die es bis dahin an den theologischen Fakultäten nicht gab, sollten die Studenten die Methoden der historischen Wissenschaft erlernen ("Heuristik", also Archivalien und Literatur finden, ferner Paläographie u.a. Hilfswissenschaften). Was man vor einigen Jahrzehnten noch als "Pro- und Hauptseminare" an den "historischen Seminaren" der katholischen Fakultäten kannte, ging auf Cauchies Konzept zurück. Im ersten Band der "Revue" erläutert er den Aufbau der Historischen Seminare (RHE 1900, S. 5-30). 

Das Historische Seminar Cauchies in Löwen brachte Dutzende exzellent ausgebildeter Historiker hervor, die in der Lage waren, Grundlagenforschung zu betreiben, also an den Quellen zu arbeiten und Editionen zu realisieren, und die dieses Konzept in Europa verbreiteten. Bei Cauchie studierte auch Pater Cunibert Mohlberg (Maria Laach), der sofort sein begeisterter Anhänger wurde und als Professor für Liturgie am Päpstlichen Institut für Christliche Archäologie das "historische Seminar" um 1930 auch dort einführte, was freilich nur bis zum Weltkrieg Bestand hatte. Überhaupt ist im verschulten Bildungskonzept Italiens Cauchies Idee der Anleitung der Studenten zu eigenständiger Arbeit weitegehend unbekannt geblieben. Mohlberg besuchte das Grab Cauchies auf dem Campo Santo Teutonico, sooft er konnte. Siehe Albrecht Weiland, Der Campo Santo Teutonico in Rom und seine Grabdenkmäler, 303f.