Rodrigo Kahl spricht in seiner Übersetzung der liturgischen Psalmen treffend von der überfälligen Emanzipierung der Septuaginta, also des griechischen Alten Testaments, das 2009 zum ersten Mal in der Geschichte in deutscher Übersetzung publiziert wurde. Kahl: "Mit Recht kann man hier von einer Sensation sprechen ... Endlich wird das griechische Alte Testament nicht mehr als zweitrangige Übersetzung [der hebräischen Bibel] angesehen, deren ,Fehler' man mit dem Rotstift anstreicht. Endlich wird sie als eine eigenständige Größe bewertet" (S. XI). 

Tatsächlich ist für das gesamte Neue Testament sowie für die Patristik die griechische Bibelübersetzung (Septuaginta) die primär maßgebliche Bibel. Maßgeblich ist also nicht die hebräische Bibel. Die Septuaginta ist schon deshalb relevant, weil sie gerade keine christliche Übersetzung ist, da sie weitgehend aus vorchristlicher Zeit stammt. Sie wurde von jüdischen Gelehrten angefertigt und ist eine sehr genaue Übersetzung der damals vorhandenen hebräischen Bibel, wie die Juden sie verstanden wissen wollten. Sie ist somit auch für die jüdischen Wurzeln des Christentums maßgeblich.

Was hier wie eine Kleinigkeit erscheinen mag, ist von größter Tragweite. Man muss nur einmal diese deutsche Septuaginta in die Hand nehmen, die sehr texttreu ist, und etwa mit der heutigen deutschen Einheitsübersetzung der Bibel vergleichen: Da liegen Welten dazwischen! Die Septuaginta ist ungleich aussagereicher und detaillierter. Vor allem aber gibt es zahlreiche echte Unterschiede im Text, die völlig andere Sinnwelten erschließen.

Zur deutschen Septuaginta