Wenn Journalisten Bücher schreiben, kann das gut gehen. Glänzendes Beispiel ist Vittorio Messoris Studie über die Passion Christi (1997), ein Buch, das selbstverständlich von der theologischen Zunft - zu ihrem eigenen Schaden - ignoriert wird. Und natürlich werden die Herolde der Zukunft auch Peter Seewalds monumentale, 1150-seitige Ratzinger-Biographie ignorieren, die gerade frisch auf dem Markt ist (für 38 Euro). Eine Ratzinger-Biographie lohnt. In Ratzinger steckt eben nicht nur eine Einzelperson, sondern einer, der für eine ganze Generation von Christen der Mitglaubende und Mitleidende war, viel mehr noch der Aufklärende und Atemspender.

Seewald ist es gelungen, Ratzingers Leben und Leistung wirklich zu durchdringen, zu ordnen und so zu präsentieren, dass man nicht an der schieren Menge scheitert. Alles ist lesbar, alles ist klar, es macht Spaß, sich auf den journalistischen Stil einzulassen, der nie platt und angelernt ist. Ratzinger war über Jahrzehnte eine öffentliche Persönlichkeit.

Der journalistisches Ansatz Seewalds ist daher genau richtig. Er dient der historischen Gerechtigkeit. Es geht Seewald nicht darum, Geschehnisse bis ins Innerste nachzuerzählen, sondern er geht von dem Ratzinger aus, den die Öffentlichkeit kennt. Er will das ephemere Ratzinger-Bild mit der Wirklichkeit seiner Person und seiner Lebensleistung abgleichen. Seewald kennt die Tricks der Journalisten, und so kommt er ihnen auf die Schliche. Dabei ist er keineswegs ein Lobredner Ratzingers, sondern weiß natürlich ganz genau, dass es heute gar keine andere Welt mehr gibt als die der Medienwelt, in der Ratzinger heute eben als der schlechte, unmoderne Papst gilt.

Indem Seewald das gesamte Leben Ratzingers schildert - in den 6 Kapiteln: Der Junge / Der Meisterschüler / Konzil / Der Lehrer / Rom / Pontifex -, wird alles hell und klar.  Man versteht, wie Ratzinger das geworden ist, was er ist. Es bleiben keine dunklen, verborgenen Seiten. Seewalds Biographie ist ein besonderes Geschenk an die Kirche, weil sie die (vorläufig letzte?) Biographie eines Papstes sein wird, der keinerlei Geheimnisse und toten Winkel hat. Vom Papst Ratzinger weiß man alles und kann alles wissen, jedes einzelne Jahr seines Lebens, jeden Gedanken, jeden Konflikt, jeden Kontakt. Es gibt in diesem Leben keine hidden agenda, keine verborgenen Brüche. Ratzinger ist kein Extrovertierter, aber er hat auch nie etwas versteckt.

Diese Biographie ist für die Kirche vielleicht sogar ein tragischer Wendepunkt, weil sie möglicherweise die vorläufig letzte Biographie eines Bischofs und Papstes ist, der durch die Gnade der frühen Geburt nicht erpressbar war, weil er nie das Internet benutzt hat. Alle seine Gedanken sind noch umständlich durch die Schreibfeder geflossen und vorher gewogen worden. Man kennt ja die Bilder der Päpste, die noch am Schreibtisch gesessen und betulich Briefe geschrieben haben: Pius X., Pius XI., und eben Benedikt XVI. Seewald ist dem Genius Ratzinger gerecht geworden. 

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