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Das neue Buch: Pietro e Paulo: La „Roccia“ e „il più Piccolo” degli Apostoli a confronto

Enrico Cattaneo, langjähriger Professor und fruchtbarer Schriftsteller auf dem Gebiet der Patrologie, erweist sich einmal mehr als exzellenter Kenner des neutestamentlichen und apokryphen Schrifttums sowie der Apostolischen Väter (1 Clemens, Irenäus, etc.). Er legt eine profunde Studie vor, in welcher er das historische und theologische Verhältnis der beiden Apostelfürsten Petrus (der „Fels“) und Paulus (der „Junior“) zueinander sowohl im Neuen Testament als auch bei den Apostolischen Vätern des 2. Jahrhunderts untersucht.

Dabei geht er nicht nur den Originaltexten auf den Grund, die er nie isoliert betrachtet, sondern immer in den argumentativen und historischen Kontext stellt, sondern verarbeitet auch eine immense Literatur aller europäischen Sprachen, und zwar nicht pro forma, sondern mit echter Würdigung auch abweichender Positionen. Er kondensiert seine Erkenntnisse auf 240 Seiten in einer Weise, die den Leser keine Zeit verlieren lässt mit überflüssigen Digressionen oder irrelevanten Spekulationen. Das Buch „Pietro e Paolo“ ist das reine Extrakt, der süße Sirup einer zähen Forschungsarbeit, deren Ergebnisse detailliert belegt und damit nachprüfbar sind.

Cattaneo ist ein versierter Altphilologe, der die Exegese nicht benutzt, um das Neue Testament philologisch zu zerhacken oder in Literaturgeschichte aufzulösen, sondern der die frühen Texte historisch ernst nimmt. Petrus und Paulus sind für ihn reale, historische Persönlichkeiten, ihr Auftrag und gemeinsames Projekt ist die Gründung der Kirche Jesu Christi in aller Welt, ihr Tod im Martyrium ist keine kirchliche Erfindung, sondern Gewissheit im Sinne historischer Wahrscheinlichkeit nach Aktenlage. Für Cattaneo gibt es auch die Universalkirche der Apostel („Großkirche“ [S. 133 Anm. 534 gegen Peter Lampe]), real existierend in den von ihnen gegründeten städtischen Ortskirchen (Kirche von Rom, Kirche von Ephesus usw.); von Hauskirchen ist nicht die Rede.

Mit einem Wort: Cattaneo denkt ganz von Irenäus von Lyon her und schreibt hier wirklich eine Kirchengeschichte der ersten beiden Jahrhunderte, die diesen Namen verdient. Dabei schielt er nicht von Irenäus zurück, sondern baut seine Argumentation strikt chronologisch von vorne nach hinten auf, ohne Ergebnisse vorwegzunehmen: vom historischen Wirken der Apostel in Jerusalem, Antiochia und Korinth über die Petrusbriefe, die Apostelgeschichte, den Ersten Clemensbrief, die Ignatiusbriefe, den Polykarpbrief, Markion, die apokryphen Apostelakten, Dionysius von Korinth bis hin zu Irenäus von Lyon. Er erlaubt sich keinen Zirkelschluss, weicht keiner Schwierigkeit aus, benennt offene Fragen.

Als grundlegende Erkenntnis nimmt der Leser mit, dass Petrus und Paulus für den frühen Aufbau der Kirche wirklich die zentralen, aber keineswegs einsamen und schon gar nicht identischen Figuren waren, und dass durch sie der Kirche tatsächlich das unaufgebbare Merkmal der Apostolizität aufgeprägt wurde. „Kirche“ definiert sich seither „apostolisch“. Wo dieses Kennmal fehlt, ist keine Kirche. Die Frage ist nur, was das dann im Einzelnen bedeutet und welche bleibende Relevanz diese Aussage hat. Nicht nur das apostolische Selbstbewusstsein des Petrus und Paulus, sondern auch als zentrales Kennmal der Apostolizität die Einheit von Petrus und Paulus – judenchristliches und heidenchristliches Christentum – historisch herauszuarbeiten, ist Ziel des Autors. Schon für das Neue Testament lehnt Cattaneo die protestantische Konstruktion und Gegenüberstellung eines „katholischen“ Petrus und „evangelischen“ Paulus ab (vgl. S. 147, 231). Vielmehr werde der antiochenische Zwischenfall (Gal 2,11-14) überbewertet. Paulus habe sich weiterentwickelt. Sowohl Petrus wie auch Paulus haben ein Miteinander von Juden- und Heidenchristen akzeptiert und gelebt.

Cattaneo sieht, und das ist von weittragender Bedeutung, gerade in Rom jene Ortskirche, die in paradigmatischer Weise diese Einheit gelebt habe, gerade weil hier sowohl Petrus als auch Paulus gewirkt habe. Ich möchte diesen Aspekt unterstreichen: Die Kirche in Rom besaß eine ungeheure integrative Kraft, ihr Grunddogma war die Einheit (nicht zwingend theologische Einheitlichkeit), sichtbar realisiert in der gemeinsamen Feier der Eucharistie, die es gerade nicht erlaubte, dass jede Gruppe eine Hauskirche gründete. Es gab auch keine „heidenchristliche“ und „jüdische“ Fraktion. Zurecht misst daher Cattaneo der heute generell vertretenen Theorie eines zersplitterten Christentums in Rom keine größere Bedeutung zu, zumal die Frage der realen Einheit der römischen Kirche eine eigene Studie erfordern würde.

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